Ottawa Charta

Die Ottawa Charta der WHO aus 1986 definiert mit "Wellbeing" eine elementare Zielgröße für menschliches Leben und entwirft mit ihrer Definition von Gesundheitsförderung ein Handlungskonzept zu dessen Erreichung.
"Health promotion is the process of enabling people to increase control over, and to improve, their health. To reach a state of complete physical mental and social wellbeing, an individual or group must be able to identify and to realize aspirations, to satisfy needs, and to change or cope with the environment. Health is, therefore, seen as a resource for everyday life, not the objective of living. Health is a positive concept emphasizing social and personal resources, as well as physical capacities. Therefore, health promotion is not just the responsibility of the health sector, but goes beyond healthy lifestyles to wellbeing." (WHO, Ottawa Charter for Health Promotion, 1986)
Gesundheit als entscheidender Bestandteil der Lebensqualität wird als umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden definiert. Leider findet sich im Deutschen kein dem Englischen "Wellbeing" entsprechendes Wort. Das gewählte "Wohlbefinden" wird dem nicht gerecht, es erzeugt ein Bild von Gemütlichkeit, so in der Art "alles ist gut". Gesundheit erscheint so als Zustand, den es zu erreichen gilt. Der Grundgedanken, Gesundheit ist der Mut und die Fähigkeiten mit den Herausforderungen des Lebens umgehen zu können, gerät verlustig.
Im Qualitätsmanagement-Verständnis ist Gesundheit im Sinne der Ottawa Charta nicht als Ergebnis-Qualität des Lebens, auf die es hinzuarbeiten gilt, sondern als Prozess-Qualität, die die Voraussetzung für das Leben bildet, zu verstehen. Das Zitat des Philosophen und Mediziners Arthur Schoppenhauer "Die Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts." müsste dementsprechend lauten "...., aber ohne Gesundheit wird es nicht."
Als Voraussetzung für Gesundheit wird in der Charta festgehalten - hier gilt es Defizite zu reduzieren, zu beseitigen: Grundlegende Bedingungen und konstituierende Momente von Gesundheit sind Frieden, angemessene Wohnbedingungen, Bildung, Ernährung, Einkommen, ein stabiles Öko-System, eine sorgfältige Verwendung vorhandener Naturressourcen, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit.
Mit der Beseitigung von Defiziten ist es aber nicht getan, es ist "notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können."
Gesundheitsförderndes Handeln soll daher:
  • Die Interessen der Menschen vertreten
  • Menschen befähigen
  • Die (Mit)Gestaltung der Umwelten ermöglichen
  • Die Beteiligung der Menschen fördern
  • Zwischen den Handelnden vermitteln und vernetzen
Die richtungweisende Botschaft der Charta: zum Wellbeing der Menschen braucht es nicht nur das Forträumen von Hindernissen und Beeinträchtigungen, es braucht vor allem die Befähigung, das Empowerment der Menschen, selbstbestimmt am Weg zu sein.

Ein Gedanke zu „Ottawa Charta

  1. „Entfaltung“
    In seinem Buch „Reale Utopien“ wählt Erik Olin Wright den Terminus „menschliche Entfaltung“ als Zielbegriff.
    Er unterscheidet dabei in menschliche Entfaltung im eingeschränkten Sinn betreffend der Abwesenheit von Defiziten, von körperlichen, gesellschaftlichen und/oder kulturellen Beeinträchtigungen. Die umfassende Vorstellung von Entfaltung bezieht er auf die verschiedenen Arten und Weisen, auf die Menschen in der Lage sind, ihre Talente und Fähigkeiten zu entwickeln und einzusetzen, ihr individuelles Potenzial zu verwirklichen. (Suhrkamp 2017, S. 54f)

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