Caring Community weiter gedacht

Der Ansatz „Caring Community“ bietet einen Weg zur Handhabung der Herausforderungen, die sich aus dem demographischen Wandel für kommunale Gemeinschaften ergeben. Der Wert der Sorgearbeit liegt dabei nicht nur für Hilfebedürftige in der Gemeinschaft, sondern auch in deren gemeinschaftsbildenden, -erhaltenden Wirkung. Denkt man Sorgearbeit weiter, eröffnen sich zusätzliche Felder, die für das Wohl der Gemeinschaft und ihren Zusammenhalt von Bedeutung sind.

Caring Community denken:

Eine der großen Herausforderungen für das kommunale Zusammenleben ist der demographische Wandel, der Umstand, dass die Menschen immer länger leben und ihr Anteil in der Bevölkerung immer größer wird. Die tradierten Zugänge stoßen an ihre Grenzen, sowohl die/der Einzelne (zB zunehmende Vereinsamung, Überforderung der pflegenden Angehörigen) als auch die öffentliche Hand (zB wachsende Versorgungslücken, Unfinanzierbarkeit) kommen mit den Gegebenheiten immer weniger zurecht.

Mit dem Konzept der „Caring Community“ wird dieser Entwicklung zu begegnen versucht, wobei es eine allgemein anerkannte Definition bzw. Vorgehensweise in Österreich (noch) nicht gibt. Der Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger arbeitet an einem Idealmodell für Caring Community. Die Gesundheit Österreich GmbH hat Förder-Calls zu Umsetzungs- und Forschungsprojekten zur Entwicklung eines Modells initiiert, in einer Studie die Verbindung von kommunaler Gesundheitsförderung und Caring Communities in einem Modell versucht (Plunger et.al., 2023), ist dabei jedoch über das Nebeneinanderstellen verschiedener Zugänge der kommunalen Gesundheitsförderung und der Caring Arbeit in Communities nicht hinausgekommen.

Im deutschsprachigen Raum ist die Schweiz in Sachen Caring Community führend, ein Netzwerk Caring Communities (caringcommunities.ch) ist etabliert, eine Vielzahl an theoretischer und praktischer Entwicklungsarbeit wurde geleistet.
Die folgende begriffliche Annäherung an das (noch) unbestimmte Phänomen Caring Community von Peter Zängl (2020) vermittelt einerseits ein Bild über den Ansatz Caring Community, eröffnet andererseits Blickrichtungen, die, um Caring Community weiter zu denken, Anhalt geben können.

Definition Caring Community

„Unter einer Caring Community verstehen wir eine Gemeinschaft in einem Quartier, einer Gemeinde oder einer Region, in der Menschen füreinander sorgen und sich gegenseitig unterstützen. Jede und jeder nimmt und gibt etwas, gemeinsam übernimmt man Verantwortung für soziale Aufgaben.“ ( Zängl, 2020, S.1)

Elemente einer Caring Community

Im 7E-Modell von Zängl (2020, S.2ff) formen sieben Elemente auf den Ebenen des Sozialen, des Kulturellen und des Funktionalen eine Caring Community, alle Elemente stehen in Wechselbeziehungen untereinander:

  • Werte: Die Ausrichtung auf das Gemeinwohl prägt die Grundhaltung, das Wohlergehen aller ist im Blick. In der Community sind die Werte klar erkennbar, aus ihnen leiten sich die Ziele für das gemeinsame Arbeiten ab.
  • Sorge: „Caring kann als eine Art Aktivität angesehen werden, die alles umfasst, was wir tun, um unsere ‚Welt‘ zu erhalten, fortzuführen und zu reparieren, damit wir in ihr so gut wie möglich leben können. Diese Welt schließt unseren Körper, unser Selbst und unsere Umwelt ein, die wir alle in einem komplexen, lebenserhaltenden Netz miteinander zu verweben suchen.“ (Fisher/Tronto, 1990, S.40)
  • Gemeinschaft: Am Sozialraum orientiert, hat ihre eigene Identität. Ihr Ziel ist die Entwicklung eines Gemeinwesens, in dem verschiedene soziale Problemlagen und Zielgruppen berücksichtigt werden.
  • Verantwortung: Wer macht was? Und wer ist verantwortlich? Dem Subsidiaritätsprinzip folgend soll möglichst das Individuum, sofern erforderlich von Familie/Freunden/Nachbarschaften unterstützt werken. Braucht es mehr, ist die Kommune gefordert.
  • Beteiligung: Wer wird, wer kann und wer soll sich wie an der Gemeinschaft beteiligen und wie verläuft der Beteiligungsprozess?
  • Selbstorganisation: Wie steuert sich die Gemeinschaft? Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie lernt sie?
  • Tausch: Wie ist die gegenseitige Leistungserbringung organisiert? Wer bringt was ein und bekommt dafür wiederum? Unmittelbar oder irgendwann später?
Perspektiven der Caring Community

Für Zängl (2020, S.1) sind zumindest drei Perspektiven prägend für die Caring Community:

  1. Wie will das Individuum sein Leben gestalten?
  2. Was erhofft es sich dabei von seinem Umfeld (zB Familie, Freunde, Nachbarschaft)?
  3. Was sind die Erwartungen an die öffentliche Hand, die Kommune?

Im Zugang der Schweizer Expert:innen zur Caring Community spiegelt sich die in der Schweiz starke Verankerung des Subsidiaritätsprinzips bei der Organisation des Zusammenlebens. Inwieweit die Verantwortung immer zuallererst beim Individuum liegt, ist jedoch in Frage zu stellen. Sehr oft schränken die umgebenden Verhältnisse das Individuum im Handlungsspielraum ein oder fördern die vorhandenen Fähigkeiten der Individuen nur unzureichend.
Die Begrenzung der Möglichkeiten durch die Verhältnisse gilt auch für die öffentliche Hand auf kommunaler Ebene, vieles ist auf kommunaler Ebene von den öffentlich Verantwortlichen weder gestalt- noch finanzierbar.
Das Konzept der Caring Community sieht als zusätzliche Kraft beim kommunalen Gestalten das gemeinsame Wirken von Menschen für die Sorge in der Gemeinschaft. Mit diesem zivilgesellschaftlichen Engagement, das sich in einer Caring Community entwickelt, entsteht ein Potential, eine Ressource für die Sorge um ein besseres Leben auf kommunaler Ebene, für die Menschen und die Gemeinschaft. Es entbindet jedoch keinesfalls die öffentliche Hand von ihren Verpflichtungen, auch die Individuen sind weiterhin in ihrer Eigenverantwortung gefordert.

Care schafft Community – Community braucht Care

Im Buch „Care schafft Community – Community braucht Care” (Sempach et.al., 2023) sind verschiedenste Sichtweisen und Erfahrungen im deutschsprachigen Raum wirkender Expert:innen zu Caring Community gesammelt. Im Titel des Buches manifestiert, ist die zentrale Erkenntnis, dass aus der gegenseitigen Sorgearbeit in einem kommunalen Setting eine Gemeinschaft erwächst, dass eine Gemeinschaft nur mit gegenseitiger Sorgearbeit dauerhaft bestehen kann. Dabei werden auch Impulse geliefert, Care über die Zuwendung an Hilfsbedürftigkeit hinauszudenken.

Caring Community weiter denken

Für die Beantwortung der Frage, was braucht es für ein gedeihliches Zusammenleben in einem kommunalen Setting, bietet das Konzept der Caring Community einige Ansatzpunkte. Davon ausgehend eröffnen sich Handlungsfelder, Räume für soziale Innovation, die einer vertiefenden Auseinandersetzung lohnen.

Ansatzpunkte aus dem Konzept der Caring Community
  • Gemeinsame, sich gegenseitig unterstützende Sorgearbeit ist für eine gedeihliche kommunale Gemeinschaft existenziell.
  • Sorgearbeit umfasst alles, was getan wird, um die kommunale Gemeinschaft zu entwickeln, zu erhalten und anzupassen, damit alle in ihr so gut wie möglich leben können.
  • Handelnde in der kommunalen Gemeinschaft sind die einzelnen Menschen, zivilgesellschaftlich (selbst)organisiertes Engagement und die öffentliche Hand/Kommune.

Sorge-Felder für eine Gemeinschaft

Um welche Felder soll sich die gemeinsame Arbeit der Bewohner:innen, ihres zivilgesellschaftlich organisierten Wirkens und der Kommune sorgen? Folgende Kriterienkataloge verdeutlichen die Vielfalt und Unterschiedlichkeit möglicher Felder.

Die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung   link

Von den Vereinten Nationen als politische Ziele für die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene für 2016 bis 2030 beschlossen.

  1. Keine Armut: Armut beenden, Schutz vor Armut für alle, Zugang zu Ressourcen für alle
  2. Kein Hunger: Hunger beenden, gesunde Ernährung für alle, Zukunft der Landwirtschaft sichern
  3. Gesundheit und Wohlergehen: Gesundes Leben für alle, Aufklärung über Gesundheitsvorsorge
  4. Hochwertige Bildung: Zugang zu Bildung für alle, gleiche Aufstiegschancen für Mädchen und Buben
  5. Geschlechter-Gleichstellung: Gleichberechtigung für Frauen und Männer, Förderung der Chancen für Frauen
  6. Sauberes Wasser und Sanitärversorgung: Sauberes Wasser für alle, freier Zugang zu Trinkwasser
  7. Bezahlbare und saubere Energie: Erneuerbare Energie fördern, Zugang zu Energie für alle sichern
  8. Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum: Nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern, Arbeit für alle sichern
  9. Industrie, Innovation und Infrastruktur: Zugang zu Infrastruktur für alle fördern und sichern
  10. Weniger Ungleichheiten: Ungleichheiten zwischen Staaten verringern, Entwicklungsländer fördern
  11. Nachhaltige Städte und Gemeinden: Städte lebenswert erhalten, Zugang zu bezahlbarem Wohnraum sichern
  12. Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster: Ressourcen nachhaltig nutzen, nachhaltig produzieren und konsumieren
  13. Maßnahmen zum Klimaschutz: Klimawandel einschränken, Lebensbedingungen für alle erhalten
  14. Leben unter Wasser: Meere und Meeresressourcen schützen und erhalten, Verschmutzung verringern
  15. Leben an Land: Landökosysteme schützen und wiederherstellen, Artenvielfalt erhalten
  16. Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen: Frieden schaffen, Rechtsstaatlichkeit gewährleisten, Gewalt verringern
  17. Partner­schaften zur Erreichung der Ziele: In globaler Partnerschaft zusammenarbeiten, auf allen Ebenen zusammenarbeiten
Capabilities Approach: Erfordernisse für ein der menschlichen Würde angemessenes Leben (Nussbaum, 2015, S.41f)
  • Leben: Menschenleben normaler Dauer zu leben
  • Körperliche Gesundheit: sich guter Gesundheit erfreuen
  • Körperliche Unversehrtheit: sich frei zu bewegen, ohne Übergriffe
  • Sinne, Vorstellungskraft, Denken: in der Lage zu sein, diese zu nutzen
  • Gefühle: Bindungen zu Dingen und Personen außerhalb unser selbst zu entwickeln
  • Praktische Vernunft: eine Vorstellung vom Guten zu bilden und über eigene Lebensplanung kritisch nachdenken zu können
  • Zugehörigkeit: mit und für andere zu leben, sie anzuerkennen und sich um sie zu kümmern
  • Andere Gattungen: in Rücksicht auf Tiere, Pflanzen und Natur und in Beziehung mit diesen zu leben
  • Kontrolle über die eigene Umwelt: politisch: mitzubestimmen; materiell: Eigentum zu besitzen, Arbeiten gleich anderen zu suchen
Gesellschaftlicher Zusammenhalt

Die Bertelsmann Stiftung hat sich in mehreren Studien mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt auseinandergesetzt, daraus eine Methode zu dessen Messung entwickelt. Dieser „Radar“ hat folgende Indikatoren im Fokus: (Dragolov, 2014, S. 7)

  • Soziale Beziehungen erzeugen Zusammenhalt durch ein Netz von horizontalen Beziehungen zwischen Personen und gesellschaftlichen Gruppen aller Art, das von Vertrauen geprägt ist und Diversität zulässt.
    • Soziale Netze: Die Menschen haben starke und belastbare soziale Netze.
    • Vertrauen in die Mitmenschen: Die Menschen haben großes Vertrauen in ihre Mitmenschen.
    • Akzeptanz von Diversität: Die Menschen akzeptieren Personen mit anderen Wertvorstellungen und Lebensweisen als gleichberechtigten Teil der Gesellschaft.
  • Verbundenheit erzeugt Zusammenhalt durch eine positive Identifikation der Menschen mit dem Gemeinwesen, großes Vertrauen in dessen Institutionen und das Empfinden, dass die Gesellschaftlichen Umstände gerecht sind.
    • Identifikation: Die Menschen fühlen sich mit ihrem Gemeinwesen stark verbunden und identifizieren sich als Teil davon.
    • Vertrauen in Institutionen: Die Menschen haben großes Vertrauen in gesellschaftliche und politische Institutionen.
    • Gerechtigkeitsempfinden: Die Menschen sehen die Verteilung der Güter in der Gesellschaft als gerecht an und fühlen sich gerecht behandelt.
  • Gemeinwohlorientierung erzeugt Zusammenhalt durch Handlungen und Haltungen, die Schwache unterstützen, sich an sozialen Regeln orientieren und die gemeinschaftliche Organisation des Gemeinwesens ermöglichen.
    • Solidarität und Hilfsbereitschaft: Die Menschen fühlen sich verantwortlich für ihre Mitmenschen und helfen ihnen.
    • Anerkennung sozialer Regeln: Die Menschen halten sich an grundlegende soziale Regeln.
    • Gesellschaftliche Teilhabe: Die Menschen nehmen am gesellschaftlichen und politischen eben teil und beteiligen sich an öffentlichen Debatten.
Well-being of Future Generations (Wales) Act 2015   link

Der Well-being of Future Generations (Wales) Act zielt auf die Verbesserung des sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Well-Being (Wohlergehen) von Wales. Das Gesetz legt einen rechtsverbindlichen gemeinsamen Rahmen – die sieben Well-Being-Ziele  – für die nationale Regierung, die lokale Regierung, lokale Gesundheitsämter und andere bestimmte öffentliche Stellen fest. Darin wird detailliert beschrieben, wie bestimmte öffentliche Stellen handeln und zusammenarbeiten müssen, um das Well-Being von Wales zu verbessern.

Folgende sieben Ziele sind alle von den öffentlichen Einrichtungen zu erreichen:

  1. Wohlstand: Eine innovative, produktive und kohlenstoffarme Gesellschaft, die die Grenzen der globalen Umwelt anerkennt und daher Ressourcen effizient und verhältnismäßig nutzt (einschließlich Maßnahmen gegen den Klimawandel); und die eine qualifizierte und gut ausgebildete Bevölkerung in einer Wirtschaft entwickelt, die Wohlstand schafft und Beschäftigungsmöglichkeiten bietet, so dass die Menschen den Wohlstand nutzen können, der durch die Sicherung menschenwürdiger Arbeit entsteht.
  2. Widerstandsfähigkeit: Eine Nation, die eine biologisch vielfältige natürliche Umwelt mit gesund funktionierenden Ökosystemen erhält und verbessert, die die soziale, wirtschaftliche und ökologische Widerstandsfähigkeit und die Fähigkeit zur Anpassung an Veränderungen unterstützen.
  3. Chancengerechtigkeit: Eine Gesellschaft, die es Menschen ermöglicht, ihr Potenzial auszuschöpfen, unabhängig von ihrem Hintergrund oder ihren Umständen (einschließlich ihrer sozioökonomischen Umstände).
  4. Gesundheit: Eine Gesellschaft, in der das körperliche und geistige Wohlbefinden der Menschen maximiert wird, mit dem Wissen, welche Entscheidungen und Verhaltensweisen der Gesundheit zugutekommen.
  5. Zusammenhalt in der Gesellschaft: Attraktiv, sicher, lebensfähig und gut vernetzt.
  6. Lebendige Kultur: Eine Gesellschaft, die Kultur, Erbe und die walisische Sprache fördert und schützt und die Menschen dazu ermutigt, sich an Kunst, Sport und Freizeit zu beteiligen.
  7. Globale Verantwortung: Eine Nation, die, wenn sie irgendetwas unternimmt, um das wirtschaftliche, soziale, ökologische und kulturelle Wohlergehen von Wales zu verbessern, berücksichtigt, ob dies einen positiven Beitrag zum globalen Wohlergehen leisten kann.
OECD Better Life Index   link

Mit dem Better Life Index vergleicht die OECD das gesellschaftliche Wohlergehen in den verschiedenen Ländern anhand von elf Themenfeldern, die sowohl in Bezug auf die materiellen Lebensbedingungen als auch für die Lebensqualität insgesamt als äußerst wichtig identifiziert wurden. Folgend die Themenfelder und die Indikatoren zur Messung.

  1. Wohnverhältnisse: Wohnausgaben, Wohnung mit sanitärer Ausstattung, Räume pro Person
  2. Einkommen: Haushaltsnettoeinkommen, Nettovermögen der privaten Haushalte
  3. Beschäftigung: Beschäftigungsquote, Langzeitarbeitslosigkeit, Beschäftigungsquote
  4. Gemeinsinn: sozialer Zusammenhalt
  5. Bildung: Zahl der Bildungsjahre, Schülerleistungen, Bildungsniveau
  6. Umwelt: Wasserqualität, Luftverschmutzung
  7. Zivilengagement: Beteiligung von Interessensgruppen am Gesetzgebungsprozess, Wahlbeteiligung
  8. Gesundheit: Selbsteinschätzung des Gesundheitszustands, Lebenserwartung
  9. Lebenszufriedenheit: Lebenszufriedenheit
  10. Sicherheit: Mordrate, Sicherheitsgefühl beim Weg nachts nach Hause
  11. Work-Life-Balance: Zeit für Freizeitaktivitäten und persönliches Wohlbefinden, abhängig Beschäftigte mit sehr langen Arbeitszeiten

Die angeführten Auflistungen wesentlicher Themenfelder - für Nachhaltigkeit, für ein würdiges Leben, für gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Messung guten Lebens - verdeutlichen, die Mannigfaltigkeit der Aspekte, die für eine Gemeinschaft von Bedeutung sein können. Welchen Themenfelder die jeweilige Gemeinschaft ein besonderes Augenmerk widmet und ihre Sorgearbeit darauf konzentriert, wird in einer gemeinsamen Entscheidungsfindung der Gemeinschaft zu fixieren sein.

Beispiel: Gemeinschaftliches Engagement zur Sicherung der Nahversorgung

In „Die Zeit“ wird über die Rettung von Wombach berichtet (Becker 2023, S.26). Der Bäcker des bayrischen Dorfs musste schließen, eine Nachfolger:in war nicht zu finden. Die qualitätsvolle Nahversorgung für die Dorfgemeinschaft war gefährdet. Es fanden sich ein paar Bürger:innen zusammen und entwickelten über die Gründung einer Genossenschaft einen Nachfolgebetrieb für die Bäckerei. Genossenschafter des Bäckereibetriebes sind Bewohner:innen der Gemeinde, anfänglich 256 von 2.000 Einwohner:innen. Um die Bäckerei rentabel führen zu können, arbeiten zudem 40 Ehrenamtliche mit, sie verkaufen Brote auf Wochenmärkten, dekorieren den Verkaufsraum und fahren Bestellungen aus. In der Genossenschaftsversammlung bestimmen die Bürger:innen mit einem Genossenschaftsanteil (EUR 150,--) über die Entwicklung der Bäckerei mit.
Um für eine qualitätsvolle Nahversorgungen zu sorgen, wurde eine zivilgesellschaftliche selbstorganisierte Struktur geschaffen, in der sich die Bewohner:innen engagieren. Seitens der öffentlichen Hand gab es eine Finanzspritze über etwa EUR 86.000,-- vom Amt für Ländliche Entwicklung. (Schubart-Arand, 2023)

___

Caring Community weiter denken und nachfragen:

Im Rahmen des von Land und Stadt Salzburg geförderten Zukunftslabors von conSalis e.Gen. wurden ausgehend von den Ansatzpunkten aus dem Konzept Caring Community einige Felder, abseits der Unterstützung Hilfsbedürftiger, erkundet, in denen für eine lebendige kommunale Gemeinschaft Sorgearbeit geleistet werden könnte/sollte und welche Beiträge von den einzelnen Bürger:innen, der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Hand/Kommune dafür zu leisten wären. Zu diesem Zweck wurden mit Expert:innen/Visionär:innen ausgewählter Felder Interviews geführt, die folgend dokumentiert und in einem Video gefasst der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.

Dabei bilden vier Fragen den Rahmen für die Erkundung:

  • Wo wird aus dem eigenen Arbeitskontext/Expertise der Sorge-Auftrag für die Gemeinschaft gesehen?
  • Welchen Beitrag hat dabei die Zivilgesellschaft zu übernehmen?
  • Wie und wo ist dabei jeder Bürger, jede Bürgerin gefordert? Welche Unterstützung braucht es dafür?
  • Was hat die öffentliche Hand/Kommune beizutragen, welche Rahmenbedingungen hat sie zu schaffen?

Die ausgewählten Felder – Expert:innen im Video-Interview

Die Interviews wurden von Dr. Thomas Diller geführt, in Bild und Schrift von Bernhard Jenny gefasst.

___

Literatur

Becker Torben: Die Rettung von Wombach, Die Zeit 2023 Nr.45, S.26

Dragolov Georgi, et.al.: Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt - messen was verbindet, 2014
https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Methods_Report_LW_Radar_Deutschland_Methodenbericht_2014.pdf

Fisher Berenice, Tronto Joan: Towards a feminist theory of caring. In Circles of care: Work and identity in womenʼs lives, Hrsg. Emily K. Abel und Margaret K. Nelson, 35–62. Albany/New York: State University of New York Press, 1990

Martha Nussbaum: Fähigkeiten schaffen, Neue Wege zur Verbesserung menschlicher Lebensqualität, München 2015

Plunger, Petra; Wosko, Paulina; Schlee, Lisa; Rohrauer‐Näf, Gerlinde: Handlungsfelder, Potenzial und Entwicklungsperspektiven für gesundes Altern in der Kommune. Kommunale Gesundheitsförderung und Caring Communities. Gesundheit Österreich, Wien, 2023
https://jasmin.goeg.at/id/eprint/3376/1/Handlungsfelder_Potenzial_Zukunftsperspektiven_bf.pdf

Schubart-Arand, Sylvia: Bayerns erste Genossenschafts-Bäckerei in Wombach eröffnet, BR 2023 https://www.br.de/nachrichten/bayern/bayerns-erste-genossenschafts-baeckerei-in-wombach-eroeffnet,T9H3yde; abgefragt 31.10.23

Sempach Robert, Steinebach Christoph, Zängl Peter (Hrsg.): Care schafft Community – Community braucht Care, Wiesbaden, 2023

Zängl Peter: Caring Community – eine begriffliche Annäherung an ein (noch) unbestimmtes Phänomen, 2020
https://caringcommunities.ch/upload/media/default/175/Zaengl-CaringCommunity-2020.pdf