Unsichtbares Theater zur Senisibiliserung für den Akloholkonsum Jugendlicher

auf der Berufsinformationsmesse Salzburg (BIM) am 24. November 2007
im Rahmen der Kampagne „Nachdenken statt Nachschenken“ des Fonds Gesundes Österreich
Projektkonzeption/leitung:   Dr. Thomas Diller
Auftrag

Das Thema „Verantwortung für den Alkoholkonsum Jugendlicher“ ist  in Diskussion zu bringen. Die BIM soll als Chance, eine große Menge von Menschen, speziell Jugendliche und deren Eltern, zu erreichen, genutzt werden. Dies soll ergänzend zum Informationsstand von AVOS auf der Messe erfolgen.

Für die Umsetzung der Maßnahme steht nur ein geringes finanzielles Budget zur Verfügung.

Gesundheitsförderung agiert nicht mit erhobenem Zeigefinger, vielmehr gilt es die Menschen zu stärken (empowerment) und sie in einen Diskussionsprozess einzubeziehen (Partizipation). In diesen Punkten überschneiden sich die Intensionen der Gesundheits­förderung und des „Theaters der Unterdrückten“.

Um einen Kontrapunkt zum Kommunikationsangebot auf der Messe zu setzen wird die Methode des „Unsichtbaren Theaters“ gewählt. Auf der Messe präsentieren sich die Aussteller auf mehr oder weniger großen Bühnen, so auch AVOS mit seinem Stand zur Kampagne, und bieten ihre Informationen den vorbeiziehenden Besuchenden feil.

Das „Unsichtbare Theater“ mischt sich unter die Menschen, ohne sich selbst zu präsentieren. Es involviert die Erwachsenen und Jugendlichen, ohne sie zu etwas zu nötigen. Sie kommen in Kontakt, ihnen wird die Möglichkeit geboten, Erfahrungen zu machen. Aus Informationen kann Wissen werden.
Das „Unsichtbare Theater“ braucht keine Bühne, es kommt nicht so „wichtig“, so „seht her, was ich euch zu zeigen habe“. Diese Bescheidenheit im Auftritt hilft auch Kosten zu sparen.

Wesensmerkmal einer Messe ist der stete Strom der Besuchenden. Die Menschen ziehen durch die Gänge zwischen den Ständen, verweilen nur kurz um sich Informationen mitzunehmen. Messen bieten immer wieder Vorträge als Rahmenprogramm an. Diese kämpfen stets mit geringem Interesse, so auch auf der BIM.
Ungeachtet dessen, dass das Platzangebot in den Messehallen höchst effizient genutzt (und verkauft) ist und somit kein Raum für eine Bühne bleibt, nehmen sich die Besucherinnen und Besucher nicht die Zeit länger an einem Ort zu verweilen und einmal nur zuzuhören.

Das „Unsichtbare Theater“ wird dem gerecht, indem es im Strom der Menschen nur einen kurzen Impuls setzt, eine Diskussion aufflammen zu lassen versucht und die Involvierten mit dem Erlebten und Andiskutierten weiterziehen lässt. So besteht die Chance, dass das Thema in die verschiedenen Gänge der Messe getragen und weiterdiskutiert wird.

Die Szene

Gleich vielen anderen geht eine Familie - Mutter, Vater und Sohn - auf die Berufsinformationsmesse, um für den Sohn eine Fachausbildung zu finden.
Die Mutter, Brigitte, 38 Jahre, ist halbtags bei dm beschäftigt, sie hat sich für den für Sie  wichtigen Besuch auf der Messe schön angezogen, sie trägt einen auffälligen Schal und eine große Tasche.
Der Vater, Hans, 40 Jahre, von Beruf Zimmermeister, hängt am liebsten mit Kumpanen und Bier ab. Er ist unscheinbar, etwas lieblos gekleidet.
Der Sohn, Max, 16 Jahre, mit der Hauptschule noch nicht fertig, verbringt die meiste Zeit bei seinen Freunden. Er erscheint im coolen Jugend-Outfit - Skaterhose, Kapperl.
Die Initiative, die BIM zu besuchen, geht vor allem von der Mutter aus, sie ist um das Wohl ihres Sohnes besorgt. Ihr schwebt eine Ausbildung in der Kfz-Branche vor. Der Vater ist desinteressiert, er geht eigentlich nur mit, um keinen Streit mit der Mutter zu haben. Der Sohn ist nach kurzer Nacht noch verkatert und lässt das Ganze über sich ergehen.

Die Szene gliedert sich in drei Teilszenen. Zwischen jeder dieser Teilszenen kehrt in der Familie wieder Ruhe ein und sie bewegen sich auf der Messe weiter.

1. Teilszene: "Ich sauf ja eh nicht!"

Die Familie kommt auf die BIM, sie betritt die Messehalle durch den Haupteingang. Die Mutter organisiert sich den Plan von der Messe und will sich orientieren. Der Vater ist geistig total abwesend, es ist absolut missmutig seine Zeit auf der BIM zu verbringen. Der Sohn schleicht nur dahin, ihn interessiert nur sein handy.
Die Mutter will von Sohn mehr Engagement und Interesse, sie macht ihm Vorwürfe, dass er so lange über Nacht aus war, dass er wohl wieder einmal getrunken hat. Der Sohn erwidert, er habe fast nichts getrunken. Die Mutter macht dem Sohn immer mehr Vorwürfe, der Tonfall und die Lautstärke wird immer aggressiver. Der Sohn reagiert auf die Vorwürfe der Mutter, indem er monoton immer wieder sehr laut mit "Ich sauf ja eh nicht" entgegenhält.
Die Mutter lässt vom Sohn ab und wendet sich wieder der Messe zu. Vater und Sohn trotten hinterher.

2. Teilszene: "Du saufst ja auch!"

Nach kurzem Weg nimmt die Mutter den Vater in die Verantwortung und fordert ihn auf, doch etwas zum Sohn zu sagen. Er soll sich doch auch mal darum kümmern, was der Sohn so treibt.
Nach abfälliger Geste wendet sich der Vater dem Sohn zu, er macht ihm Vorwürfe. Der Sohn entgegnet anfänglich noch mit "Ich sauf ja eh nicht" und macht dann dem Vater zum Vorwurf "Du saufst ja auch" – monoton immer wieder sehr laut.
Das geht einige Male hin und her zwischen Vater und Sohn, der Vater stößt den Sohn vor sich her, es wird immer emotionaler bis sich Mutter dazwischen geht, beide anbrüllt und mahnt weiterzugehen.

3. Teilszene: "Du bist kein Vorbild!"

Die Familie geht weiter. Die Mutter dreht sich um und sieht, dass Vater und Sohn nur nachzockeln. Vater ist wieder absolut teilnahmslos und desinteressiert.
Die Mutter geht auf den Vater los und macht ihm Vorwürfe, er habe auch nichts anders im Kopf als mit seinen Freunden bei vielen Flaschen Bier die Zeit tot zu schlagen. Ihre Emotionen münden in den immer wieder monoton und laut wiederholten Vorwurf „Du bist kein Vorbild!“.
Dabei stößt die Mutter dem Vater immer wieder mit dem Plan der Messe in die Brust, bis ihr der Vater den Plan aus der Hand schlägt und ihn auf den Boden wirft. Die Mutter schreit auf und will sich danach bücken, der Vater kommt ihr zuvor und schießt den Plan mit dem Fuß vor ihren Händen weg.
Während des Ganzen steht der Sohn verschreckt daneben.
Die Mutter schreit, der Vater brüllt, jetzt reicht es ihm. Er dreht sich zum Sohn um, holt mit großer Geste eine Bierdose aus seiner Jackentasche, macht diese auf, legt die Hand um die Schulter des Sohnes und zieht mit dem Sohn und dem Spruch „jetzt trinken wir ein Bier“ von dannen.
Die Mutter bleibt mit einem Aufschrei der Verzweiflung zurück, holt ihr handy heraus und zieht sich am Telefon beklagend davon.

Die Mitwirkenden

Für die Umsetzung der Aktion waren drei Schauspielende, eine größere Zahl an MultiplikatorInnen sowie der Projektleitende und eine Unterstützung für die Dokumentation vorgesehen.

Die Schauspielenden

Für die Besetzung der Rollen der Szene wurden Personen mit Schauspielerfahrung herangezogen.
Die Rolle der Mutter übernahm Mag. Barbara Wick, von der Ausbildung her Sozialarbeiterin. Sie hat den Lehrgang bei Lisa Kolb bereits absolviert und ist Mitarbeiterin bei AVOS. Über ihre theaterpädagogische Ausbildung war sie bereits mit der Methode des „Unsichtbaren Theaters“ vertraut.
Der „Vater“ wurde in der „Improvisationstheater-Szene“ in Salzburg gefunden. Mag. Manfred Keck, Psychologe, übernahm die Rolle. Er hatte keinerlei Erfahrung mit „Unsichtbarem Theater“.
Die Suche nach dem Sohn erwies sich vergleichsweise schwierig. Gesucht war ein Jugendlicher im Alter von 16 bis 18 Jahren, mit schauspielerischer Erfahrung. Über Kontakte zum Musischen Gymnasium in Salzburg und zu dem die Theatergruppe leitenden Pädagogen konnte Jakob Elsenwenger für die Rolle des Sohnes gewonnen werden. Trotz seiner 15 Jahre brachte er großes Selbstvertrauen in Sachen Schauspielen mit, das „Unsichtbare Theater“ war ihm vollkommen neu.

MultiplikatorInnen

Um den Impuls der Szene möglichst breit unter die Menschen zu bringen bedarf es einer größeren Anzahl an Mitwirkenden, die sich unter die herumstehenden/vorbeiziehenden Menschen mischen und diese in eine Diskussion verwickeln.
Anfänglich waren 15 bis 20 MultiplikatorInnen vorgesehen. Es war allerdings nicht so einfach, wie ursprünglich gedacht, so viele Personen zu finden, die bereit sind, sich an einem Freitagabend und an einem Samstagvormittag die Zeit für die Mitwirkung an einer Aktion zu nehmen. Schlussendlich waren es 10 MulitplikatorInnen.
Die Umsetzung der Aktion zeigte allerdings, dass die Anzahl der MultiplikatorInnen nicht beliebig nach oben gesteigert werden kann; die 10 MultiplikatorInnen waren für gegenständliche Aktion schon die Obergrenze. Die Beschränkung ergibt sich aus einem erforderlichen Abstand zwischen den „Diskussionsbringenden“. Es wird von den Menschen wahrgenommen, dass unter ihnen Personen sind, die auf den miterlebten Konflikt mit Umstehenden ins Gespräch kommen wollen. Sind dem zu viele, so wirkt es ungewöhnlich und weckt das Misstrauen unter den Menschen, die Vermutung der Inszenierung kommt auf.

 Projektleiter

Die Projektleitung wurde von Dr. Thomas Diller wahrgenommen. Zu den Aufgaben zählte die grundsätzliche Konzeption der „Unsichtbares Theater“ – Aktion, die Abklärung der notwendigen finanziellen Mittel und deren Bereitstellung, das Engagement aller Mitwirkenden, die Erarbeitung der Szene mit den Schauspielenden und die Einführung der MultiplikatorInnen. Weiters galt es den Ort zu erkunden, den genauen Ablauf der Aktion auf der Messe zu planen und zu kommunizieren und bei der Aktion koordinierend für die Mitwirkenden bereit zu stehen.
Als Verantwortlicher für die Aktion waren die Mitwirkenden zu führen, ihnen Anhalt und Sicherheit zu geben und sie bei der Erarbeitung, Umsetzung und Reflexion motivierend zu unterstützen.
Die spezielle Herausforderung für den Verantwortlichen ist, während des Spiels des „Unsichtbaren Theaters“ bereit zu stehen, um bei ungeplanten Interaktionen mit dem Umfeld zu reagieren. Dabei gilt es vordringlich die Schauspielenden zu schützen/ entlasten, ihnen den Rücken frei zu halten, wobei stets die Frage mitschwingt, ab wann muss man aus dem Spiel aussteigen und das „Theater“ sichtbar machen.

Dokumentation

Wenngleich das „Unsichtbare Theater“ nicht aufgedeckt werden soll, gilt es doch die Erfahrungen zu sichern und zu dokumentieren.
Dies erfolgte mittels Befragung der MultiplikatorInnen unmittelbar nach Durchführung der Aktion.
Während der Aktion wurde versucht, Fotos von der Szene zu machen. Dabei sollte aber auf keinen Fall durch das Fotografieren die Szene als etwas Besonderes herausge­hoben werden, jeglicher Eindruck der Inszenierung war zu vermeiden. Als zusätzliche Herausforderung stellten sich die Lichtverhältnisse heraus; es hätte eines besonders starken Blitzlichtes bedurft, um perfekte Belichtung auf den Fotos zu bekommen.

Fazit

Die Methode des „Unsichtbaren Theaters“ hat sich auch in der Gesundheitsförderung bewährt. Hier liegen für die Gesundheitsförderung einige Chancen.
Bei der Konzeption der Szene gilt es darauf zu achten, dass das Negative sehr schnell die positiven Botschaften überdeckt. Bei der Ausgestaltung der für das „Unsichtbare Theater“ notwendigen Zuspitzung ist das zu beachten.
Je lauter und bewegter der Ort für das Spiel ist, umso mehr muss Ersatz für die Sprache gesucht werden. Die Botschaft muss andere Medien nutzen, um die Menschen zu erreichen. Dabei ist Bedacht zu nehmen, dass Negatives, wie Aggression oder Gewalt, andere Inhalte bei der Wahrnehmung der Zusehenden (bei „Unsichtbaren Theater“ ist die Zeit, in der der/die Zusehende berührt wird, teilweise nur sehr kurz) schnell überdeckt.

 In den MultiplikatorInnen, deren Funktion das Hinaustragen der Diskussion unter die Zusehenden ist, liegt ein großes Potential der Methode des „Unsichtbaren Theaters“. Indem diese „BotschafterInnen“ breit unter die Anwesenden verstreut werden, können viele Menschen involviert werden. Aber auch die Auseinandersetzung mit den MultiplikatorInnen an sich bietet bereits die Chance, einer größeren Zahl von Menschen das Thema näher zu bringen.

Die Zahl der MultiplikatorInnen bei einer Aktion ist jedoch nicht beliebig ausdehnbar. Irgendwann stehen sie sich selbst im Weg und es macht die Menschen misstrauisch, wenn rund um sie herum jede(r) nur diskutieren will.

 Die Arbeit für ein „Unsichtbares Theater“ - Projekt ist für alle Mitwirkenden höchst spannend und freudvoll.